Frühes Leben und Einstieg in die Geschäftswelt
İnan Kıraç wurde am 4. Februar 1937 in Eskişehir (Türkei) geboren. Sein Bildungsweg führte ihn nach Istanbul auf das renommierte Galatasaray Lisesi und später nach London, wo er am City College of Business studierte
Seine berufliche Laufbahn begann 1961 – Kıraç trat bei Koç Holding an, genauer bei einer Tochterfirma namens Ormak A.Ş., als Verkaufsmitarbeiter. Bereits 1966 stieg er zum Generaldirektor von Otoyol A.Ş. auf, einem Unternehmen, das Lkw und Midibusse fertigte.
In den darauf folgenden Jahren übernahm er wichtige Führungspositionen bei Automobilfirmen, darunter bei Tofaş – ab 1970 war er Generaldirektor von Tofaş Oto Ticaret. Später stieg er innerhalb von Koç Holding weiter auf und steuerte ab 1984 als Leiter der Automobil-Gruppe die Entwicklung des Automobilsektors im Konzern.
1994–1998 war Kıraç Mitglied des Vorstandes und leitete als CEO große Teile des Konglomerats. Nach seinem Rückzug aus Koç Holding gründete er 1998 gemeinsam mit Geschäftspartnern die Kıraça Holding.
Unternehmerische Erfolge und Engagement im Automobilbereich
Mit Kıraça Holding und seiner Beteiligung an Firmen wie Karsan prägte İnan Kıraç die türkische Automobilindustrie – sowohl was Produktion als auch Innovationen betraf.
Darüber hinaus war er an nationalen Initiativen beteiligt, die darauf abzielten, eine „türkische Automobileigenmarke“ zu etablieren. In mehreren Interviews brachte er zum Ausdruck, dass sein Konzern und die türkische Industrie grundsätzlich in der Lage seien, ohne ausländische Partner einheimische Fahrzeuge zu produzieren.

Neben der Automobilindustrie engagierte er sich für Zuliefererindustrien und andere Wirtschaftssektoren – mit dem Ziel, die industrielle Basis der Türkei zu stärken und wirtschaftliche Diversifikation voranzutreiben.
Stiftung, Kultur und soziales Engagement
Kıraç war nicht nur Unternehmer, sondern auch Mäzen: Gemeinsam mit seiner ersten Frau Suna Kıraç gründete er zahlreiche wohltätige und kulturelle Institutionen. Dazu zählen die Suna und İnan Kıraç Vakfı, das Pera Museum und das Istanbul Research Institute.
Durch diese Projekte förderte er Bildung, Kunst und Forschung – und hinterließ damit neben wirtschaftlichem Einfluss ein kulturelles Erbe, das die türkische Gesellschaft nachhaltig mitprägte.
Private Krise: Eheskandal und juristischer Streit
2024 sorgte Kıraç für Schlagzeilen: Im Alter von 87 Jahren heiratete er heimlich die 75-jährige frühere Mitarbeiterin von Koç Holding, Emine Alangoya. Die Hochzeit fand in der Bürgermeisterei von Büyükçekmece statt – nach Vorlage eines ärztlichen Gutachtens.
Doch seine Tochter İpek Kıraç reagierte mit rechtlichen Schritten: Sie forderte die Rücknahme der Ehe und die Bestellung eines Vormunds für ihren Vater, mit dem Argument, Kıraç sei aufgrund altersbedingter geistiger Einschränkungen nicht mehr geschäftsfähig.
Im März 2025 ergab ein Neuropsychologisches Gutachten der forensischen Medizin, dass Kıraç tatsächlich nicht mehr in der Lage sei, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Daraufhin ernannte ein Gericht zwei Anwälte zu seinen vorläufigen gesetzlichen Vertretern. Kurz darauf wurde die Ehe annulliert.
Zusätzlich gab es im Mai 2025 Berichte, wonach Kıraç angeblich aus einem Krankenhaus in Istanbul entführt worden sei — eine Meldung, die von der Klinik zurückgewiesen wurde. Offiziell heißt es, er habe die Klinik mit seinem Fahrer und Assistenten verlassen, ohne die Vormunde zu informieren. Dennoch bleibt die Situation verworren und umstritten.
Bedeutung und Einfluss – ein widersprüchliches Erbe
İnan Kıraç ist über Jahrzehnte hinweg ein Symbol des industriellen Aufstiegs und der wirtschaftlichen Modernisierung der Türkei gewesen. Seine Rolle im Aufbau der Automobilindustrie, seine Leitung großer Konzerne und sein Engagement für Kunst und Bildung machten ihn zu einer prägnanten Figur in Wirtschaft und Gesellschaft.

Gleichzeitig wirft der juristische Zwist um seine Ehescheidung, Geschäftsführung und geistige Gesundheit ein Schlaglicht auf Probleme in Familienvermögen, Generationenwechsel und Hinterbliebenenmanagement – Themen, die weit über das persönliche Drama hinaus Bedeutung für das türkische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem haben.
Seine Stiftung und seine kulturfördernden Projekte bleiben bestehen und wirken weiter — aber der zuletzt öffentlich gewordene Skandal mindert das einst wegen unternehmerischer Erfolge und philanthropischer Leistungen hohe Ansehen merklich.
Fazit
İnan Kıraç ist eine komplexe Persönlichkeit: Ein herausragender Unternehmer, der durch seine Arbeit und Visionen den Wirtschaftsstandort Türkei mitprägte — aber auch ein Mann, dessen hohes Alter, persönliche Entscheidungen und familiäre Konflikte einen scharfen, teilweise tragischen Schatten auf sein Lebenswerk geworfen haben.
So zeigt sich: Große unternehmerische Erfolge gehen oft einher mit hoher Verantwortung — und bei Macht, Geld und Alter können private und rechtliche Krisen das Bild auf Jahre prägen.

